Gerald Kink, der Inhaber des Hotels Oranien, ist Präsident des Deutschen Hotel- und Gastronomieverbandes (DEHOGA) Hessen e.V. und Mitglied im Aufsichtsrat der Bürgschaftsbank Hessen.

Herr Kink, wo steht die Hotellerie und Gastronomie gerade?

Voller Tatendrang, weil es wieder losgeht nach sieben Monaten. Das ist eine lange, lange Zeit für viele gewesen und schon fast unglaublich, wenn man das überlegt. Und am Ende des Tages sind das alles Unternehmer, die möchten arbeiten. Unsere Branche möchte für die Gäste da sein.

Wie erleben Sie da die Aufbruchsstimmung in Ihrer Branche unter den Kolleginnen und Kollegen?

Generell emotional freudig und motiviert. Jetzt muss aber auch alles neu eingespielt werden, Personal muss wieder gesucht werden, gerade für die Außengastronomie . Da ist auch keiner, der zögert. Und so hoffen wir, einen stabilen und auch wirtschaftlich planbaren Sommer zu erleben.

Wie sind da so die ersten Erfahrungen mit Wiedereröffnungen?

Die Außengastronomie hat natürlich sofort hohe Nachfrage erlebt. Aber die hatten dann die Sorge, wieviel darf ich denn annehmen? Ich weiß auch von manchen, die gesagt haben, sie machen noch nicht auf. Die lassen den Außenbereich noch geschlossen und warten, bis der Innenbereich mit dazukommt, weil es sich sonst betriebswirtschaftlich einfach nicht lohnt. Und wir sitzen ja gerade im Hotel. Touristische Reisen sind ja wieder erlaubt, doch im Moment erleben wir eher Buchungen für die Sommermonate. Anders die Urlaubshotellerie, die sind auf dem Stand raus am Laufen. Das freut mich sehr für die Kollegen, die werden ein erfolgreiches Geschäftsjahr im nationalen Geschäft haben.
Glauben Sie denn, dass es bei den Urlaubsreisen jetzt Veränderungen gibt? Also eher Urlaub vor der Haustür, vielleicht auch in Hessen?
Es wird nicht so ausgeprägt sein wie letztes Jahr mit Urlaub zu Hause. Die Nachfrage ist zwar da, aber es gibt auch einen starken Drang ins europäische Ausland, Übersee ist dagegen noch verhalten.

Nach dem Sommer kommt der Herbst und der Winter. Was schätzt das die Branche ein?

Ich glaube, wir hängen wirklich am sogenannten Tropf. Welche Entwicklung nehmen die Zahlen? Wir sehen zwar zuversichtlich in den Herbst und Winter. Aber auch dann wird es noch kein starkes internationales Geschäft geben. Wir werden keine großen Messen in den Messehallen Frankfurt erleben. Und dann werden wir sehen, ob es in unserer Hotellerie und Gastronomie nicht doch ein Überangebot gibt, das alleine von der Inlandsnachfrage nicht befriedigt werden kann. Aber wir sind froh, wenn es wieder behutsam anfängt und wieder Konferenzen stattfinden. Wenn Unternehmen ihre Leute nach so langer Zeit Homeoffice wieder an den Tisch bringen und ins Hotel kommen.

Es gibt ja das geflügelte Wort, dass Krisen immer auch Chancen sein könnten. Würden Sie das so auch für die Branche werten? Oder wie ist da Ihre Einschätzung?

Ja, ich denke schon. In dieser Zeit haben viele ihr Geschäftskonzept mal überarbeitet. Vieles wurde neu strukturiert, vieles hinterfragt. Wir müssen uns hinterfragen, welche Produktionszeit wir vorhalten wollen, wie wir höhere Liquidität aufbauen können, um krisenfester zu sein, welche Öffnungszeiten noch machbar sind. Ich glaube, die meisten mögen uns ganz gerne. Dann ist es vielleicht aber jetzt auch in der Überlegung, zu fragen, wie man das wertschätzen kann. Wir müssen also zeitgemäß kalkulieren, so dass am Ende die zwei wichtigsten Säulen, also Unternehmer und Mitarbeiter, stabiler rauskommen. Es soll nicht nur angenehm sein, in unserer Branche zu arbeiten, es soll sich auch lohnen. In vielen Bereichen wurde auch digitalisiert. In der Hotellerie waren wir schon sehr weit mit unseren Reservierungs-Systemen. Jetzt gibt es auch in der Gastronomie einen Schub mit Reservierungs-Portalen und entsprechenden Strukturen. Ich gehe persönlich gerne weg, aber wir bleiben ja nicht mehr vier, fünf Stunden sitzen wie früher, sondern eher zwei Stunden. Das ist ein Ansatz, dass man sagt, man hat kürzere Aufenthaltszeiten.

Selbst wenn Covid 19 einmal vorbei sein sollte, kann uns immer wieder ein neue Pandemie ereilen. Wie kann sich ihre Branche drauf besser vorbereiten?

Es ist ein sehr komplexer Sachverhalt, vorbereitet zu sein für eine Pandemie oder etwas ähnliches. Ich glaube, wir haben sehr schnell gelernt, damit umzugehen. Wir haben gelernt, mit Abständen zu arbeiten, mit Registrierungen, mit Testen, mit Fragen, mit auseinander gerückten Tischen. Das ist einfach die DNA der Branche, relativ schnell auf Veränderungen zu reagieren ist. Aber vor allem Land und Bund müssen vorbereitet sein. Es kann nicht sein, dass bestimmte Strukturen erst eingespielt werden müssen auf Bundes- und Landesebene. Viele Prozesse haben zu lange gedauert. Wir haben in dieser Pandemie mehr Verhinderer oder Zögerer erlebt als Macher. Darüber müssen wir reden, weil wir nicht etwas schützen müssen, was nicht funktioniert hat. Wir mussten ja auch sofort funktionieren. Unsere Branche hat ein Sonderopfer gebracht für die Gesellschaft. Wir waren als erstes zu und am Ende dürfen wir erst als letzte wieder ran. Aber wir müssen dankbar sein, dass wir in einem Land leben wie Deutschland. Es ist ja nicht selbstverständlich, diese kraftvolle Hilfe zu bekommen. In anderen europäischen Ländern ist man davon ganz, ganz, ganz weit weg. Jetzt freuen wir uns, dass wir nach vorne schauen können. Jetzt brauchen wir auch die Wirtschaft und die Industrie, die wieder den Weg in die Hotellerie und Gastronomie sucht, um sich dort zu treffen und sich auszutauschen.

Wie schätzen Sie die finanzielle Ausstattung der Betriebe ein?

Das ist sehr unterschiedlich. Aber eines sollten wir aus dieser Zeit lernen: Eine starke Liquidität erhöht die Überlebensfähigkeit erheblich. Deswegen empfehlen wir unseren Unternehmen auch immer wieder, sich vorausschauend finanziell gut aufzustellen und dazu auf ihre Hausbank und die Bürgschaftsbank Hessen zuzugehen.

Vielen Dank für dieses Gespräch.