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Sminno sichert Fahrradfahrer. Bürgschaft sichert Sminno
Längst ist das Smartphone als multifunktionaler Alltagshelfer in unser Leben integriert. Telefonieren, Navigation, Überwachung der eigenen Fitness – alles läuft über das mobile Gerät. Natürlich vor allem unterwegs, nicht nur im Auto, sondern auch auf dem Fahrrad. Wer allerdings nicht beide Hände am Lenker hat, der ist ein Sicherheitsrisiko für sich und andere im Straßenverkehr – oder auch für das Smartphone.
Diese Erfahrung machte die Schwester von Khesrau und Sohrab Noorzaie: Während sie versuchte, beim Radfahren zu telefonieren, fiel ihr das Handy herunter, die „Spider-App“ verzierte das Display. Für die Brüder war klar: Ihre Schwester brauchte eine funktionale Freisprecheinrichtung fürs Fahrrad, damit sie sicher fahren kann. Auf der Suche nach einem passenden Gerät erlebten sie eine Überraschung: Während für Autos längst verschiedenste Varianten von Freisprecheinrichtungen vorhanden sind, gab es für Fahrräder keine einheitliche Lösung, die über eine bloße Halterung hinausging. Bei rund 70 Millionen Rädern in Deutschland und einer steigenden Nutzung mobiler Geräte hatten die Studenten aus Kassel damit eine Marktlücke entdeckt. Der eigene Ehrgeiz war geweckt – und die Brüder brachten die Voraussetzungen mit, so eine vielversprechende Idee auch umzusetzen: Khesrau Noorzaie hat Maschinenbau studiert, sein Bruder machte damals gerade seinen Abschluss als Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Kunststoffdesign und technische Akustik. Gemeinsam entwickelten sie eine nachhaltige Freisprecheinrichtung für Fahrräder, die kompatibel mit jedem Smartphone ist, allein über ihre Form den Lautsprecher des Smartphones verstärkt und gleichzeitig Windgeräusche minimiert. „Vom Fahrrad zum Smartbike“, wie Khesrau Noorzai das Konzept für sicheres Telefonieren zusammenfasst.
Kaum fertig mit dem Studium gründeten die Brüder das Start-up Sminno, um ihre innovative Freisprecheinrichtung zu produzieren und zu vertreiben. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erhielten sie das EXIST-Gründerstipendium für ein Jahr. Danach nutzten sie Crowdfunding als Finanzierungslösung, konnten die ersten Umsätze generieren und sahen sich durch die Nachfrage in ihrer Geschäftsidee bestätigt. Für den eigentlichen Markteinstieg genügte die Finanzierung allerdings noch nicht, schließlich mussten Produkte vorgefertigt und damit auch vorfinanziert werden, um die Lieferfähigkeit zu gewährleisten. Zudem wollten die Brüder weitere Mitarbeiter einstellen. Die Lösung fanden sie in einem Gesamtkunstwerk aus verschiedenen Finanzierungsbausteinen, in dem die Bürgschaftsbank Hessen (BB-H) für einen Teil des Investitions- und Betriebsmitteldarlehens bürgt.
„Die Bürgschaftsbank Hessen begegnete uns von zwei Seiten“, erinnert sich Khesrau Noorzaie. „Unser Unternehmen sitzt im universitätsnahen Science Park Kassel, wo uns in der Gründerberatung zu einer Bürgschaft bei der BB-H als Finanzierungsmöglichkeit geraten wurde. Dazu kam die Empfehlung unserer Hausbank.“ Denn die Kasseler Sparkasse war ebenfalls vom Konzept überzeugt, verlangte für die Bewilligung eines Gründerkredits jedoch Sicherheiten, die die Jungunternehmer zu diesem Zeitpunkt nicht liefern konnten. Nach einer gründlichen Prüfung des Businessplans und der Unternehmerpersönlichkeit der Noorzaie-Brüder engagierten sich Hausbank und Bürgschaftsbank. „Für etablierte, mittelständische Unternehmen ist eine Bürgschaft sowieso eine empfehlenswerte Lösung, aber auch für uns als Start-up hat sich dieser Weg gelohnt, weil wir Zeit für die gründliche Prüfung hatten – in der Start-up-Szene ist ja manchmal ein Monat vergleichbar mit einem Geschäftsjahr“, hält Khesrau Noorzaie fest. „Wir waren in unserem unternehmerischen Werdegang schon weiter als andere Start-ups, hatten bereits ein fertiges und auch marktfähiges Produkt und brauchten in diesem Stadium eine sinnvolle und nachhaltige Lösung für die kommenden umfangreichen Investitionen. Und dann ist es ein gutes Gefühl, wenn die beteiligten Finanzierungspartner und Bürgen nach der Prüfung des Vorhabens auch überzeugt sind.“
Mit ihrer Idee und ihrem Produkt für sicheres Radfahren mit dem Smartphone haben die Brüder Noorzaie nicht nur die Bürgschaftsbank Hessen überzeugt, sondern gleich auf verschiedenen Ebenen Aufmerksamkeit und Zuspruch gesammelt: 2014 sicherten sie sich in der ZDF-Show „Kampf der Start-ups“ ein Darlehen für ihr Konzept, gehörten zu den Halbfinalisten beim Hessischen Gründerpreis 2016 und haben den Wettbewerb Hessen-Champions 2016 gewonnen. In Kooperation mit den Initiativen „Mit dem Rad zur Arbeit“ (AOK und ADFC), und „Stadtradeln“ (Stadt Kassel) setzt sich Sminno dafür ein, Fahrradfahren sicherer zu gestalten.
Bestärkt durch die positive Resonanz auf ihre Idee und die sichere finanzielle Ausgangslage haben die Noorzaie-Brüder große Pläne: „2017 wollen wir mit einem größerem Team in ganz Europa für sicheres Fahrradfahren mit dem Smartphone sorgen.“