F A L L B E I S P I E L
Mit der Bahn durch Marburgs Gassen
Wenn mitten in der Marburger Altstadt plötzlich eine Eisenbahn um die Ecke fährt, bekommen nicht nur die Kleinen staunend große Augen. Die Marburger Schlossbahn ist die neuste Touristenattraktion im beschaulichen Örtchen an der Lahn und zeigt Besuchern auf bequeme Weise die altehrwürdige Universitätsstadt. Gerade für Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, im steilen Marburg eine willkommene Alternative.
Die Wegebahn, wie die Bimmelbahn im Amtsdeutsch heißt, gehört der Familie Brunett. Vater Herbert Brunett ist ein alter Hase im Beförderungsgeschäft. Sein Bus- und Taxiunternehmen bringt bereits seit 1989 Menschen sicher durch die Stadt. Mit dabei sind auch Ehefrau Lydia und vor allem Sohn Ingo, der den Familienbetrieb zukünftig übernehmen und weiterführen soll. „Mit der Schlossbahn haben wir uns als Familie einen Traum erfüllt und gleichzeitig ein neues Standbein neben unserem Taxi- und Busbetrieb aufgebaut“, erklärt Herbert Brunett.
Da die Wegebahn in Marburg ein absolutes Novum ist, zogen sich die Genehmigungsverfahren über fast zwei Jahre hin. Die Bürgschaftsbank Hessen, die die Brunetts in einem frühen Stadium des Projektes anfragten, war sofort vom geplanten Geschäftsmodell überzeugt und übernahm die Bürgschaft für den Großteil des Investitionsbedarfs in Höhe von 365.000 Euro. Denn die Familie hatte zwar eine tragfähige Idee und einen überzeugenden Businessplan, nicht aber ausreichende Sicherheiten, die ihre Hausbank verlangte, um den Kredit zu genehmigen. „Auch wenn wir in dem Bereich wenig Erfahrung hatten, zeigten unsere Recherchen schnell, dass andernorts sehr erfolgreich ähnliche Wegebahnen eingesetzt werden“, so Georg Schmidt von der Bürgschaftsbank Hessen. „Der Zusammenhalt der Familie, die akribische Vorbereitung der Gründung sowie nicht zuletzt die kaufmännische Kompetenz von Ingo Brunett haben uns positiv beeindruckt.“
Doch zwischen Finanzierung und regulärem Fahrbetrieb sollten noch einige Steine liegen. In Marburg kochte eine öffentliche Debatte über Sinn oder Unsinn einer solchen Bahn hoch, die technischen Abnahmen des Zuges gestalteten sich schwieriger als erwartet. Lange war nicht klar, ob die Brunetts überhaupt zum Schloss hinauf fahren dürften: „Es war ein langer Weg bis zur Jungfernfahrt, doch die Bürgschaftsbank Hessen stand die ganze Zeit voll hinter uns“, freut sich Herbert Brunett noch immer.
Mittlerweile ist endlich – im positivsten Sinne – der Zug für Familie Brunett abgefahren: Vater Herbert saß im Führerstand, während Mutter Lydia den ersten Fahrgästen über den Bordlautsprecher Wissenswertes über die Attraktionen am Wegesrand erzählte. Insgesamt 54 Personen können pro Tour befördert werden.
Da die kleine Bahn die örtlichen Bushaltestellen mit nutzen kann, schließt sie sogar die Lücke einer fehlenden Verkehrsverbindung zwischen den beiden Hauptattraktionen Marburgs: der Elisabethkirche und dem Landgrafenschloss. Gerade für ältere Gäste, aber auch Anwohner der Stadt, gibt es nun erstmals die Möglichkeit, die Sehenswürdigkeiten entlang der steilen Gassen bequem und gefahrlos zu erreichen.