Interview mit Sebastian Schneider, neues Mitglied des Aufsichtsrates der Bürgschaftsbank Hessen
„Die Landwirtschaft braucht Brückenbauer zwischen Risiko und Investition“
Sebastian Schneider, Landwirt und Vertreter des Hessischen Bauernverbands, ist neues Mitglied im Aufsichtsrat der Bürgschaftsbank Hessen. Im Interview spricht er über seine Motivation, die Bedeutung der Bürgschaftsbank für die Finanzierungssicherheit in der Landwirtschaft und die entscheidende Rolle, die smarte Finanzierung für die Zukunftsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe spielt. Sein Credo: Transformation braucht Kapital – und verlässliche Partner, die den ländlichen Raum nicht aus den Augen verlieren.
Was hat Sie bewogen, Mitglied des Aufsichtsrates der Bürgschaftsbank Hessen zu werden?
Es ist die Überzeugung, dass unternehmerischer Mut in der Landwirtschaft verlässliche Partner braucht – besonders in Zeiten struktureller Unsicherheit und wachsender Finanzierungshürden. Die Bürgschaftsbank ist kein anonymer Geldgeber, sondern ein stabilisierender Faktor für wirtschaftliche Initiativen im ländlichen Raum. Die Landwirtschaft braucht Brückenbauer zwischen Risiko und Investition – in dieser Rolle sehe auch ich mich.
Welche Bedeutung hat die Bürgschaftsbank aus Ihrer Sicht für die Finanzierungssicherheit in der hessischen Landwirtschaft?
Die Bedeutung ist kaum zu überschätzen. So zeichnet etwa der jüngste Situationsbericht zur deutschen und hessischen Landwirtschaft ein klares Bild: Die Investitionszurückhaltung, gerade im Bereich der Tierhaltung, ist Ausdruck eines tiefen strukturellen Vertrauensverlustes. Wer Investitionen ermöglicht – dort, wo die Banken längst zögern –, der schützt nicht nur Existenzen, sondern fördert Innovation. Die Bürgschaftsbank schafft genau diesen Freiraum, in dem Zukunft gedacht und gewagt werden kann. Sie ist Katalysator für Generationenwechsel, Umbauprojekte und neue Betriebszweige.
Wo sehen Sie die größten Finanzierungshemmnisse für landwirtschaftliche Betriebe – insbesondere im Hinblick auf den Generationenwechsel?
Die Haupthemmnisse lassen sich bündeln: Unsicherheit, Bürokratie, Kapitalzugang. Der Situationsbericht belegt den Investitionsrückgang als direkte Folge politischer Intransparenz und mangelnder Verlässlichkeit. Junge Betriebsnachfolger finden sich in einem Dickicht aus Umweltauflagen, Fördervorgaben und steuerlicher Komplexität wieder. Investitionen sind ein Wagnis mit hohem Eigenrisiko, aber mit wenig Risikopuffer. Wo öffentliche Kreditwirtschaft zurückweicht, muss die Bürgschaftsbank umso stärker als Partner auftreten. Ohne gezielte Entlastung und Flexibilisierung bleibt die Gefahr eines Strukturbruchs omnipräsent.
Was möchten Sie als Vertreter des Hessischen Bauernverbands in die strategische Arbeit des Aufsichtsrates einbringen?
Erstens: die Perspektive der Praxis als klarer Kompass. Zweitens: die Realität des ländlichen Raums, der eben kein Freilichtmuseum, sondern ein dynamischer Wirtschaftsstandort ist. Und drittens: eine Brückenfunktion zwischen Politik, Kapital und bäuerlicher Lebenswirklichkeit. Die Weiterentwicklung der Landwirtschaft wird nicht durch Leitplanken von oben gelingen, sondern durch intelligente Finanzierung vor Ort. Neben ihrer Rolle als Risikopuffer könnte sich die Bürgschaftsbank hier strategisch noch stärker als Innovationstreiber positionieren.
Die Landwirtschaft steht vor tiefgreifenden Transformationsprozessen – welche Rolle kann die BB-H hier künftig spielen?
Transformieren heißt: investieren. Und zwar nicht trotz, sondern wegen der Unsicherheit. Die Bürgschaftsbank kann hier zum „ersten Ermöglicher“ werden: für neue Tierhaltungssysteme, digitale Betriebsmodelle, Betriebszweigentwicklungen in den Bereichen Erneuerbare Energien oder Direktvermarktung. Ich weise mit Nachdruck auf die enorme Produktivitäts- und Anpassungsleistung des landwirtschaftlichen Sektors hin – aber auch auf die Gefahr einer Dekapitalisierung. Transformation ohne Kapital ist wie Umbau ohne Gerüst. Und eben jenes kann die Bürgschaftsbank sein.
Welche Erwartungen haben Sie persönlich an die Zusammenarbeit mit den anderen Aufsichtsratsmitgliedern und der Geschäftsführung?
Ich wünsche mir eine Zusammenarbeit, die geprägt ist von Realitätssinn und wirtschaftlichem Verständnis. Das Agribusiness mitsamt der Primärproduktion ist ein wesentlicher Teil unserer gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, welches keine wohlmeinenden Konzepte mehr braucht, sondern belastbare Lösungen. Wer in diesem Segment Finanzierung ermöglicht, investiert nachhaltig in die wirtschaftliche Substanz des Landes. Ich erwarte einen Aufsichtsrat, der sich als Strategie-Gremium versteht. Mit einem wachen Blick für Chancen jenseits der klassischen Kreditwürdigkeit und mit Verständnis für die volkswirtschaftliche Dimension. Gerade auch mit einer Geschäftsführung, die Mut zur Pionierrolle beweist, kann die Bürgschaftsbank zum strategischen Partner der Landwirtschaft in Hessen werden und Finanzierungslösungen im ländlichen Raummaßgeblich mitgestalten.
