F A L L B E I S P I E L
Geheimtipp für Künstler und Schöngeister
Es dauert genau einen Schritt, dem Charme des Hotel Nizza zu erliegen. Es ist dieser eine Schritt über die Schwelle, durch die große Holztür, die sich nur nach Klingeln öffnet, der das Frankfurter Bahnhofsviertel zurücklässt und die Seele wärmt wie der erste Sonnenstrahl des Tages den kalten Rücken. Kein Wunder, dass sich hier so viele Künstler wohl fühlen und für die Zeit ihrer Gastspiele an Theater, Oper oder in Konzertsälen in der Elbestraße 10 absteigen. Kein Wunder, dass das Haus bei Handlungsreisenden und Unternehmensberatern als Geheimtipp gilt – „die dann aber Schöngeister sind“, wie die neue Chefin Stefanie Pesin erzählt.
Seit 25 Jahren gibt es „das Nizza“, wie seine Gäste sagen, gegründet von Ursula Gerner, die zuvor Öffentlichkeitsarbeit für das Schauspielhaus gemacht hatte – daher der Draht zu den Kulturhäusern. Als die Gründerin verstarb, übernahm deren Tochter das Haus und führte es gemeinsam mit ihrem Mann. Die beiden wollten aber das Lebenswerk der Mutter nicht im Stich lassen und arbeiteten sich ein. Sie umgaben sich mit Profis der Hotel- und Gastro-Branche, darunter Stefanie Pesin, eine gute Freundin. Seit zehn Jahren begrüßt Pesin die Gäste mit strahlendem Lächeln und großem Herz – jetzt übernimmt sie das Hotel Nizza, denn die Gerners ziehen sich zurück und verkaufen ihr das Hotel.
Manchmal, erzählt die neue Chefin, wacht sie schon noch schweißgebadet auf. Doch die Angst vor der eigenen Courage schüttelt sie schnell wieder ab und freut sich jeden Tag über Ihr Glück: Ein Hotel zu besitzen, das sei schon immer ihr Traum gewesen – nur mit der Lage am Meer wurde es nichts. Sie übernimmt den Pachtvertrag mit der Stadt und das gesamte Inventar mit sechs Festangestellten, den Kundenstamm und die unvergleichliche Atmosphäre im Nizza mit seiner Dachterrasse und dem Billard-Zimmer.
Ein Jahr vor Übernahme wurde es konkret, schnell war ein fairer Kaufpreis gefunden und Ursula Gerner sicherte ihrer Freundin zu, ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn sie dies bräuchte. Der Hotelsachverständige Axel Neher, der das Nizza gut kannte, schrieb den Businessplan und gab die wertvollsten Tipps. Einer davon: Pesin solle sich an die Bürgschaftsbank Hessen (BB-H) wenden, um den Kredit für den Kaufpreis zu besichern. Auf einer Gründermesse besuchte sie den Stand der BB-H, schließlich beantragte sie eine „Bürgschaft ohne Bank“. Marc Bläsing, damals ganz neu bei der BB-H, besuchte ihr Hotel und war schnell begeistert. Stefanie Pesin bekam ihre Bürgschaft und ging damit zur Frankfurter Sparkasse 1822, alles ging glatt.
Einerseits ist die neue Chefin froh, dass alles direkt weiterlaufen kann. Andererseits will sie bald mehr Angebote machen: Die viel zu selten genutzte Bar beleben, kleine Events anbieten, einem befreundeten Weinhändler eine Bühne bieten. Denn nachmittags ist bisher im Nizza kaum etwas los.
Geborgenheit, das sagt Steffi Pesin immer wieder. Geborgenheit, das müsse ein Hotel ausstrahlen. Deswegen der feste Nachtportier, deswegen Frühstück bis elf für die Künstler, deswegen Gespräche am Rande des Seelsorgerischen. Für die Gäste da sein, das ist es, was hier den Unterschied zur Systemhotellerie macht: „Und wenn einer krank ist, bekommt er eine Wärmflasche und einen Tee aufs Zimmer, ist doch klar!“