Die Frage im Rahmen der Buchhaltung, ob eine Soll- oder Ist-Versteuerung durchgeführt werden soll, kann schnell einen entscheidenden Einfluss auf die Liquidität des Unternehmens haben. Grundsätzlich unterliegen Unternehmer der Soll-Versteuerung bei der Umsatzsteuervoranmeldung. Unter bestimmten Bedingungen kann aber auch beim zuständigen Finanzamt ein Antrag auf Ist-Versteuerung gestellt werden.

Soll-Versteuerung

Bei der Soll-Versteuerung wird die Umsatzsteuer direkt fällig, wenn die Rechnung für den Kunden erstellt wurde. Für die Überweisung der Umsatzsteuer an das jeweilige Finanzamt ist daher das Datum der Rechnungstellung entscheidend – und nicht das Datum des Geldeinganges auf dem Konto des Gründers.

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Der umsatzsteuerpflichtige Gründer erstellt am 15. Oktober eine Rechnung über 2.000 Euro sowie 360 Euro Umsatzsteuer (19 Prozent Mehrwertsteuer) für eine von ihm erbrachte Dienstleistung. Die 360 Euro Umsatzsteuer muss der Gründer, wenn keine Umsatzsteuervoranmeldung beantragt wurde, bis zum 10. November an das Finanzamt melden und auch abführen. Liegt eine Dauerfristverlängerung für die Umsatzsteuervoranmeldung vor, hat der Gründer bis zum Dezember Zeit. Zahlt der Kunde jedoch erst deutlich später und gar nicht, geht der Gründer in Vorleistung gegenüber dem Finanzamt.

Ist-Versteuerung

Der Unterschied bei der Ist-Versteuerung ist, dass die Umsatzsteuer erst dann an das Finanzamt abgeführt werden muss, wenn der in Rechnung gestellte Betrag nebst Umsatzsteuer vom Kunden auch wirklich gezahlt worden ist. Im Unterschied zur Soll-Versteuerung, bei der die Umsatzsteuer im Monat des Rechnungsdatums fällig wird, wird bei der Ist-Versteuerung die Umsatzsteuer erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Geldeingangs fällig.

Beispielweise stellt der Gründer eine Rechnung über 2.000 EUR plus 360 EUR Umsatzsteuer am 15. Oktober aus. Der Kunde zahlt erst im Dezember den Betrag. Die Umsatzsteuer muss erst nach dem tatsächlichen Zahlungseingang an das Finanzamt abgeführt werden. Im Falle eines Zahlungsausfalls muss auch keine Umsatzsteuer abgeführt werden.

Umsätze gelten als vereinnahmt:

  • bei Barzahlungen und Schecks ab dem Zeitpunkt der Übergabe,
  • bei Überweisungen auf ein Girokonto ab dem Zeitpunkt der Gutschrift beim Geldinstitut und
  • bei Abtretung von Forderungen (z. B. beim Factoring) ab dem Zeitpunkt der Forderungsabtretung.

Vorteile der Ist-Versteuerung

Vor allem für Existenzgründer für kleine Unternehmen ist die Ist-Versteuerung besonders vorteilhaft, denn sie schafft mehr Sicherheit in Sachen Liquidität; besonders bei vielen Aufträgen und großen Beträgen. Fällt eine hohe Umsatzsteuer an, müssen Gründer und Klein- und Kleinstunternehmer nicht wie bei der Soll-Versteuerung über Wochen hinweg (bis zum Zahlungseingang) die Umsatzsteuer vorstrecken. Vor allem bei Zahlungsausfällen kann das zu existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen führen. Es ist jedenfalls ungemein hilfreich, wenn man nicht schon vorab hohe Beträge an das Finanzamt abführen muss, die man noch gar nicht vereinnahmt hat.

Die Ist-Versteuerung können folgende Personen- und Unternehmenskreise in Anspruch nehmen:

  • nicht bilanzierungspflichtige Unternehmen (z. B. Einzelunternehmer und GbRs, die unter der Buchhaltungspflichtgrenze (Umsatz unter 600.000 Euro; Gewinn unter 60.000 Euro im Jahr) liegen)
  • Freiberufler
  • buchführungspflichtige Unternehmen (z. B. GmbH, UG, OHG, KG, AG mit einem Umsatz unter 500.000 Euro im letzten Abrechnungsjahr).

Ist-Versteuerung beantragen

Existenzgründer können die Ist-Versteuerung direkt bei der Unternehmensgründung im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beim zuständigen Finanzamt beantragen. Ist der Zeitpunkt schon überschritten, kann auch im Nachhinein beim zuständigen Finanzamt der Wechsel beantragt werden, da ein Wechsel zur Ist-Versteuerung jederzeit möglich ist. Ein einfaches und formloses Schreiben reicht bereits aus. In dem Schreiben enthalten sein muss die Steuernummer des Unternehmens, der Zeitpunkt, ab wann die Ist-Versteuerung gelten soll und ein Hinweis aus dem letzten Jahresumsatz (siehe oben). Sobald die Genehmigung des Finanzamts vorliegt, darf die Ist-Versteuerung angewandt werden.